Zeitzeugengespräch mit Ernst Grube
Zeitzeuge Ernst Grube zu Besuch an der Rotter Schule
bb - Zum Ende des Schuljahres 2019 besuchten die beiden 9. Klassen die KZ-Gedenkstätte in Dachau. Bei einem dreitägigen Seminar wurden die Schüler über das Lagerleben, die Einzelschicksale der Häftlinge und über Ausgrenzung und Terror durch die NS-Herrschaft informiert. Abgerundet wurde das Thema nun durch ein Zeitzeugengespräch mit Ernst Grube.
Grube wurde 1932 in München geboren, dort lebte er mit seiner Familie in der Nähe der Synagoge in der Herzog-Max-Straße. 1938 wurde die Münchner Synagoge auf Weisung der Nationalsozialisten abgerissen und die jüdische Bevölkerung aus den angrenzenden Wohnungen vertrieben. Ernst Grube kam daraufhin mit seinen beiden Geschwistern ins Schwabinger Kinderheim. Schon zu dieser Zeit war er Beschimpfungen und Pöbeleien ausgesetzt. Nach und nach erfolgte die Ausgrenzung aus der Gesellschaft, so durfte die Straßenbahn für den Schulweg nicht mehr benutzt, das Schwimmbad, der Tierpark und das Kino nicht mehr besucht werden, zuletzt war überhaupt der Schulbesuch untersagt. Im Jahre 1941 begannen die Deportationen der jüdischen Bevölkerung Münchens. Vom Sammellager Milbertshofen aus wurden die Juden in die verschiedenen Vernichtungslager transportiert. 1941 erfolgte die Auflösung des Kinderheimes Schwabing, fast alle Kinder wurden in das Vernichtungslager Kaunas (Litauen) überführt, von dem sie nicht mehr zurückkehrten. Ernst Grube und seine Geschwister mussten nun in das Sammellager Milbertshofen umsiedeln. Nach Auflösung des Ghettos in Milbertshofen im Jahre 1943 kamen die Geschwister Grube zu ihren Eltern, die in Untermietverhältnissen notdürftig untergekommen waren. Das Lager war nicht mehr notwendig, die Münchner Juden längst abtransportiert. Angst vor Deportierung, die Bombardierung Münchens und die Sorge um verhaftete Familienmitglieder waren tägliche Begleiter der Familie.
Im Februar des Jahres 1945 wurde Ernst Grube zusammen mit seiner Mutter und den beiden Geschwistern nach Theresienstadt deportiert. Die Hoffnung, der Verhaftung zu entkommen, war somit zunichte gemacht, die Familie befand sich laut Aussage von Ernst Grube in einer Schockstarre. Vor der Vernichtung wurden sie nur gerettet, weil das Lager bald darauf von der sowjetischen Armee befreit wurde.
Die Verfolgung der Juden erfolgte nicht wegen ihrer Persönlichkeit, eines strafbaren Vergehens oder der politischen Gesinnung, sondern auf Grund ihrer Abstammung.
Aufgrund der Nürnberger Rassegesetze von 1935 galten die Kinder der Familie Grube als Halbjuden. Dieser Umstand und die standhafte Weigerung des Vaters, sich von seiner Frau und den Kindern zu trennen, bewahrte die Familie vermutlich vor einem früheren Abtransport.
Ernst Grube führt die Zeitzeugengespräche aus vielerlei Gründen: Zunächst fühlt er sich aus moralischen Gründen gegenüber seinen im Nationalsozialismus ermordeten Verwandten dazu verpflichtet. Zudem tritt Grube dafür ein, dass Verfolgung von Menschen, egal welcher Abstammung sie sind, nie wieder möglich sein darf.
Sorge bereitet ihm heute der Umgang mit Flüchtlingen, dass Erwachsene und Kinder im Mittelmeer ertrinken und Helfer, die sie aus der Notlage befreien wollen, kriminalisiert werden.
Auch aktuelle Ereignisse, wie der Angriff auf die Synagoge in Halle oder die Leugnung der Ermordung unzähliger Juden in der NS-Zeit, stimmen Ernst Grube nachdenklich. Die jugendlichen Zuhörer ermuntert Grube dazu, bei Gesetzesverletzungen nicht wegzusehen; jeder könne seinen Beitrag zu einer besseren Gemeinschaft leisten, wenn er wolle.
Bedanken möchte sich die Grund- und Mittelschule Rott a. Inn beim Gewerbeverband Rott und dem Landgasthof Stechl, die diese Veranstaltung finanziell unterstützt haben.
Bernd Biberger